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Lucia: Neue Orte, neue Perspektiven

Es ist nun schon mehr als vier Jahre her, dass ich mein International Baccalaureate erhalten habe und mich vom UWC Adriatic verabschiedete. Wenn ich an die Zeit am UWC zurückdenke, tauchen viele verschiedene Erinnerungen gleichzeitig auf. Es scheint mittlerweile sehr fern, dass ich vor 6 Jahren in Duino ankam, voller Vorfreude und Aufregung. Ohne Frage haben mich die zwei Jahre in dem kleinen und besonderen Ort am Meer geprägt. Ich habe sehr viele schöne Momente erlebt, Freunde gefunden und viel über die Welt und mich selbst gelernt.

 

Vor allem habe ich durch die Zeit am UWC auch Vertrauen in mich selbst gewonnen. Es ist gut zu wissen, dass ich in verschiedenen Situationen klarkommen kann, mich an neue Umgebungen, ein neues Land und neue Leute anpassen kann. Ausserdem war die Gelegenheit, durch eine spannende, aber auch turbulente Phase meines Lebens mit engen Freunden zu gehen, sehr wertvoll. Ich habe am UWC gelernt meinen Interessen zu folgen und Neues auszuprobieren. Zum Beispiel habe ich zusammen mit Freunden den Sustainability Council ins Leben gerufen, um unsere Schule nachhaltiger zu gestalten. Auch wenn wir damals erst ein begrenztes Wissen darüber hatten, wie wir die Probleme angehen sollten, konnte ich durch die Organisation des Councils wichtige Erfahrungen sammeln.

 

Rückblickend liefen einige Dinge in Duino auch schief, vor allem was Consent, mentale Gesundheit und Rassismus anbelangt. Beim Versuch, alle Schüler*innen hinter gemeinsamen Zielen und Werten zu vereinen, wurde manchmal vergessen, dass wir doch ganz verschiedene Privilegien geniessen und manche Stimmen überhört werden. Mein Wunsch, auf solche Probleme aufmerksam zu machen, hat sich definitiv am UWC verstärkt. Natürlich war das UWC eine «bubble», die ich schliesslich wieder verlassen musste, und wenn Idealismus auf Realität trifft, kann das auch ernüchternd sein. Aber das Zusammenkommen mit Menschen, die sich für das Gleiche einsetzen wollen, gab mir damals und gibt mir noch heute Hoffnung.

 

Den Abschluss in der Tasche und zwei Jahre voller spannender und intensiver Erlebnisse in Erinnerung, stand ich nun vor der Wahl meines Studiums. Diese Entscheidung schien damals so unglaublich gross und verwirrend, dass ich mich dazu entschied, einfach dem zu folgen, was mir am meisten am Herzen lag: dem Klimawandel. So fing ich ein Dualstudium in Geografie und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel an, in der Hoffnung, dass die Kombination der beiden Fächer mir ermöglichen würde, die naturwissenschaftlichen wie die sozialen Aspekte des Klimawandels besser zu verstehen. Ich wollte der Frage nachgehen, die mich seit meiner Zeit am UWC beschäftigte: wie können Wirtschaftssysteme so umgestaltet werden, dass sie mit unseren Ökosystemen im Einklang stehen? Auch wenn es mich manchmal frustrierte, dass das Studium an sich nicht mehr Gewicht auf den Klimawandel legte, konnte ich in meinen drei Jahren in Basel mein Wissen sowohl an der Universität wie auch ausserhalb des Studiums vertiefen. Studentische Initiativen wie die jährliche Nachhaltigkeitswoche, an deren Organisation ich mich beteiligte, sowie die Ringvorlesung in Pluraler Ökonomie oder mein Mitwirken in verschiedenen ausseruniversitären Organisationen wie dem Jugendrotkreuz waren sehr bereichernd. Die Motivation, mich in der Gesellschaft zu engagieren, war sicherlich auch geprägt von meiner Ausbildung an einem UWC.

 

Nach meinem Bachelor entschied ich mich zu einem Masterstudium in Umweltökonomie und Klimawandel an der London School of Economics and Political Science (LSE), welches mir durch das grosszügige Jahresstipendium der Schweizerischen Studienstiftung ermöglicht wurde. In meiner Masterarbeit fokussierte ich mich auf die Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Ernährungssicherheit in Nigeria. In meiner Zeit in London habe ich wertvolle Erfahrungen gesammelt und Verbindungen geknüpft. Ausserdem hatte ich die Möglichkeit als Forschungsassistentin am King’s College London zu arbeiten, was meinen Wunsch verstärkte, in der Forschung tätig zu sein. Ich werde daher einen PhD an der Universität Ca’ Foscari in Venedig beginnen. Davor werde ich einige Monate als Forschungsassistentin an der Universität und dem Centro Euro-Mediterraneo sui Cambiamenti Climatici (CMCC) arbeiten, worauf ich mich sehr freue. Ich ziehe also zurück nach Italien und werde wieder ganz in der Nähe des UWC Adriatic sein.

 

 

 

Lucia Letsch
 

 

 

Ich habe auf meinem bisherigen Weg viel Unterstützung erfahren, wofür ich sehr dankbar bin. Angefangen bei der UWC Swiss Association, die mir die Möglichkeit gab, aus meiner Komfortzone herauszutreten, Neues zu wagen und meinen Interessen verstärkt nachzugehen. Ich bin auch sehr dankbar für die engen Freundschaften, die ich am UWC geschlossen habe und die mir zum Teil immer noch erhalten sind. Es ist schön zu sehen, in wie viele verschiedene Richtungen meine Freunde gegangen sind und wie wir trotz der weiten Distanzen noch in Verbindung stehen, uns austauschen und gegenseitig besuchen.